„Heiß auf Eis“ oder „Ice Is Nice“ ( Tauchen in der Antarktis)

 

In der Zeit vom 25.2. – 8.3.06 habe ich an Bord des russischen Forschungsschiffes „Grigoriy Mikheev“ eine 11-tägige Reise in die Antarktis gemacht. Die Reisegruppe bestand aus 35 „normalen Passagieren“ und 15 Tauchern, also ein kleiner überschaubarer Teilnehmerkreis aus Australien, Russland, England, Irland, Holland, Spanien, Mexico, Amerika, Deutschland und der Schweiz.

 

Das 5 - köpfige „Expeditionsteam“ wurde von einem Neuseeländer geleitet, wovon die beiden Tauchguides aus Schweden und Deutschland kamen, die Besatzung des Schiffes waren überwiegend Russen, die beiden Köche Niederländer. Am nettesten waren aber eindeutig Dolores, unsere argentinische „Hotelmanagerin“, sowie Natasha und Tanja, die uns mit einem Lächeln immer unser Essen servierten.
Wenn man sich die Karte ansieht, dann ist die Antarktis weit weg und sehr abgelegen. Man plant alles lange im Voraus und überlegt, was aus der Tauchreise wird, wenn das Gepäck nicht mitkommt oder der Flieger verspätet eintrifft und das Schiff schon abgefahren ist. Man reist deshalb schon 1 Tag früher an und nimmt so viel wie möglich ins Handgepäck. Diese Vorsichtsmaßnahme erwies sich als „tauchgangsrettend“.  Also, die Abfahrt habe ich geschafft, das Gepäck aber kam 3 Tage später an. Bis auf die Flossen und den dicken Unterzieher hatte ich tatsächlich alle entscheidenden Dinge „am Mann“. Ein kurzer Einkauf in Ushuaia (südlichste Stadt Argentiniens, der Ausgangshafen) war deshalb nötig und mit Minimalausrüstung konnte es losgehen.

 

Für die 1000 km von Ushuaia zur antarktischen Halbinsel werden 2 Tage veranschlagt. Der 1. Tag war ruhig, ständige Begleiter waren die Wander-Albatrosse. Am 2. Tag mussten wir uns bei Windstärke 10 durchkämpfen, wobei viel Glas und Geschirr zu Bruch ging, auch beeinträchtigte Seekrankheit bei vielen das Wohlbefinden. Wir wurden auf der Überfahrt gut fortgebildet und erhielten Unterricht über Geologie, Klima, Eisentstehung und die Tierwelt, so dass die Spannung ständig stieg. Die Bordbibliothek war ausgesprochen umfangreich. Abends wurde eine spannende 6-teilige BBC-Dokumentation über die Antarktis gezeigt: „Life In The Freezer“ von David Attenborough, einfach genial.

 

Vor Erreichen der Süd – Shetland – Inseln wurde der 1. Eisberg gesichtet, am ersten Landgang nahmen alle teil und besichtigten eine Kolonie Eselspinguine (die stinken wirklich gut) und Seelefanten (das Gebrüll ist beeindruckend, Dröhnen wie ein Nebelhorn). Dann am Nachmittag der 1. Checktauchgang im Vulkankrater von Deception – Island (die normalen Gäste nahmen am Ufer sogar ein „Warmwasserbad“).  Hier bekamen wir unseren ersten Seeleoparden zu Gesicht, erst lag er an Land, dann umkreiste er unser Schlauchboot, ein gewaltiges Raubtier. Soll ich zugeben, dass ich gar nicht so unglücklich war, dass der TG schon beendet war und wir im Boot saßen?Was dann folgte waren 7 unvergessliche Tauchtage vor einer grandiosen Landschaft. Fjorde, Gletscher, Eisberge, Schnorcheln mit Walen und Robben, Tauchen an Steilwänden mit teilweise auch schlechter Sicht, Strömungstauchgänge (habe auch mal meinen Partner verloren) und natürlich auch Tauchen am Eisberg entlang. Grandiose Sonnenunter- und aufgänge, tiefhängende Wolken, Formen und Farben von Wasser und Himmel, die man so noch nicht gesehen hatte. Nach Überqueren des südlichen Polarkreises wurden die Eisberge immer zahlreicher, allein diese bizarren Formen, eine beeindruckende Naturkulisse.

 

Das Tauchen erfolgte vom Zodiac aus. Aufgesetzte Taschen am Anzug wären von Vorteil gewesen, um Handschuhe und Brille beim Anlegen der Ausrüstung nicht auf den Boden legen zu müssen. Die Tauchtiefe war auf 20 m und die Tauchzeit auf 45 min. begrenzt. Die Unterwasserwelt ist bunt, meistens Kelp, Muscheln, Schwämme, Schnecken, Krebse, Seesterne und Anemonen, vielfältige Farben und Formen, eine unbekannte Welt. Fische gibt es nur sehr wenige, einen ganz kleinen habe ich gesehen, trotzdem waren wir sehr zufrieden auch mit unserer Fotoausbeute. Meistens waren die Hände nach 30 Minuten schon so kalt, so dass wir (mit Ausnahme der beiden Holländer) nach dieser Zeit den TG beendeten. Im Wasser musste man sich der ganzen Ausrüstung entledigen und so zeigte sich schon, dass die Klipp-Verschlüsse total ungeeignet sind, einfach zu fummelig, wenn man die Finger kaum noch bewegen kann. Auch waren nicht alle Atemregler vereisungssicher. Mit einem gewissen Stolz habe ich registriert, dass beide Tauchguides dieselbe Ausrüstung hatten wie ich: Neoprenanzüge der Fa. Waterproof , sowie Atemregler von Poseidon. Der Schwede hatte sogar ebenfalls das neue Wingjacket von Poseidon (an dessen Entwicklung er beteiligt gewesen war, und an dem er etliche Dinge fürs Kaltwassertauchen verändert hatte, siehe „Verschlussmechanismus“).

 

Nach dem Tauchen hatten wir auch noch Zeit für den Landgang. Mal gab es Pinguin- und Robbenkolonien zu sehen, mal bewohnte oder verlassene Forschungsstationen. Einmal haben wir einen Gletscher bestiegen (einen kleinen natürlich) und sind auf dem Hintern wieder runtergerutscht. Auch kleinere Eisberge mussten befühlt und erklettert werden. Überhaupt ist es so beeindruckend dieses glatte, ausgeschliffene und steinharte Eis zu befühlen und zu sehen, welch ein massiver Klotz sich unter Wasser befindet. Die Aussichten waren einfach nur grandios, immer waren wir das einzige Schiff in den Buchten, also hatte man ein bisschen das Gefühl von Antarktisexpedition.

 

An Bord wurden wir gut verpflegt. Zweimal am Tag gab es warmes Essen und zwischendurch ging man immer wieder in die Bar und konnte heißen Tee, Kaffee, Brühe oder Schokolade trinken. Kekse gab es auch ständig und reichlich. Die Musik war entspannend, die Passagiere verstanden sich untereinander, die Stimmung war gut. Auch gab es eine Sauna, Wäsche konnte man zum Waschen geben, also ein guter Service, nette und fröhliche Menschen. Es war etwas rustikal, zum Glück, denn auf keinem anderen Schiff hätte man mit Faserpelzunterwäsche, T-Shirt und barfuss zum Dinner gehen können. Wir fühlten uns einfach wohl. Die Kammern ohne eigene Dusche waren zwar klein, aber es reichte vollkommen. Ohrstöpsel waren bei meinem Mitbewohner aber doch nötig (hatte ich im Handgepäck).

 

Auch die Rückfahrt verlief ohne Probleme. In Ushuaia konnte ich auf dem Flughafen mein Gepäck wieder in Empfang nehmen und ungebraucht wieder einchecken. In Frankfurt hatte ich sogar alles wieder beisammen, warum eigentlich nicht auf dem Hinweg?

 

Was bleibt noch zu sagen? Es war taucherisch anspruchsvoll, man lernt nur dazu. Meine Maske ging nach dem 2.TG kaputt, die Halterung des Maskenbandes brach durch Einstecken der Maske in die Flosse ab (dies war die bevorzugte Art der Lagerung im Zodiac). Die Kälte macht das Kunststoffmaterial wohl richtig spröde. Ich hatte aber noch eine 2. dabei. Genauso gefährdet sind die Verschlüsse der Fersenbänder an den Flossen. Eine Stahlfeder wäre wohl am besten, alles muss einfach und robust sein. Unsere Tauchguides waren wirklich sehr sachkundig, absolut kompetent, seemännisch versiert, sorgten für gute Vorbereitungen auf die Tauchgänge und achteten auf konsequentes Einhalten der vorgegebenen Sicherheitsrichtlinien (zur Notfallbehandlung stand eben nur Sauerstoff zur Verfügung). Trotzdem hat es auf derartigen Reisen auch schon Todesfälle gegeben.

 

Die Daten der Reise: Ushuaia, Beagle – Kanal, Drake – Strasse, Süd – Shetland – Inseln (Livingston und Deception Island), Antarktische Halbinsel (Cuverville Island, Paradise Harbour, Port Lockroy, Lemaire Channel und Port Charcot, Südlicher Polarkreis und Fish Islands) – und zurück nach Ushuaia.

3275 km oder 1768,5 Seemeilen, Lufttemperatur von 0 bis +3Grad, Wassertemperatur von +1 bis – 2 Grad (direkt neben dem Eisberg).

 

Es war einfach ein tolles Erlebnis, dieses Tauchen an einem ungewöhnlichen Ort (siehe auch unter www.oceanwide-expeditions.com ).

 

Jens Kohfahl